Zweimal Wassermann-OG: Jean Calvin / USA

Das ist das Wassermann-OG des Reformators Jean Calvin, geboren 10.07.1509 (jul.), Noyon, Frankreich, Häuser Placidus (wobei ich generell auch die GZH vor Augen habe). Es gibt für Calvin eine Uhrzeit – diese aber gilt als sehr ungesichert. Hat man eine mundan bedeutsame Persönlichkeit, so wie hier unstrittig gegeben, dann lohnt immer der Blick auf das Jahreshoroskop des Nativen. An ihm werden die Kernthemen des Letzteren deutlich, paradoxerweise oft markanter als im nachfolgenden Geburtshoroskop, da im Jahresbild die Außenwirkung klare Konturen gewinnt. Auf den ersten Blick: Uranus im ersten Haus: der Reformator. Dann aber scheint in diesem Oktilogramm Liberalität mit auf den Weg gegeben (Fische AC). Doch mit Mars als Herr über Haus acht kommt mit Schärfe durchgesetzte Programmatik hinzu. Der Geburtsherr Jupiter befindet sich im Schützen, im neunten Haus – im zehnten in den GZH. Es geht um Religion, doch auch um damit verbundene Weltanschauung. Denn es geht hier bei Calvin nicht um mystische Versenkung, sondern um bewusst gestaltete Lebensführung, um Ethos und Moral, und dies nach zwingender Maßgabe der Konjunktion von Jupiter und Pluto. Es findet sich zudem das Thema PL=MC.KN/JU – und wenn das Thema MC-JU auch „mein Erfolg, mein Geld“ beinhaltet, dann zeigt sich dieses durch den „progressiven“ Rahu (aufsteigender Knoten) massiv verstärkt. Ergänzender Hinweis: In der indisch-vedischen Astrologie erbringt Rahu auch den Drang in den materiellen Besitz. Nun aber ist hier mit dem eindeutigen Saturn als Spannungsherrscher ein denkbar gewichtiger Kontrapunkt gesetzt. Erst mit diesem zeigen sich die eigentlichen Konturen des Weltbildes Calvins. Saturn in der Jungfrau: Zurückhaltung, Bescheidenheit, Umsicht, Nützlichkeitssinn, minutiöse Sparsamkeit – und damit verbunden: ausgeprägtes Pflichtempfinden, Gehorsam. Hier ist der Verweis auf den berühmten Aufsatz Max Webers über die Entstehung des Kapitalismus aus dem Geist des Protestantismus fällig. Und es steht da insbesondere die Calvinsche Prägung des Protestantismus im Fokus – Fleiß, Strenge, Nützlichkeitserwägung, Pflicht, natürlich auch der Puritanismus. Calvin geht über Luther hinaus vor allem auch im Hinblick auf die Prädetermination, auch Prädestination genannt, eben die Vorherbestimmung, von jeher haben sich an dieser Frage Theologen wie Philosophen die Zähne ausgebissen. Diese Prädestination aber wird von Calvin ins Profane gewendet, quasi rückgespiegelt: Sei sparsam, sittsam, fleißig… In etwa so: „Hast du diese Qualitäten und hast du dann den mit ehrenwerten Mitteln gewonnenen Erfolg, auch in Form von Geld und sonstigem Besitz, dann steht dir dies zu – mehr noch: Es zeigt nun sich bereits im Irdischen, dass du dich zu den Erwählten zählen darfst, auch mit Blick aufs jenseitige Dasein“. Wo immer der Calvinismus Wirkung entfalten konnte, zeigten sich umgehend die Aufwertung der Arbeit, die „industria“ (lat.: „Fleiß“) – wie auch der damit verbundene Erfolg: in der Schweiz, den Niederlanden, in Preußen, in den deutschen von den „Reformierten“ geprägten Herrschaften… und in den USA (der Puritanismus hat dort an Wirksamkeit nicht nachgelassen, im Gegenteil).

Hier nun das Jahresbild der USA, das Wassermann-Oktilogramm 1776 für Philadelphia. Auch hier gilt: es zeigen sich die essentiellen Themen:

Dem OG – Sonnenstand auf 15:00 Grad Wassermann – folgte wenige Stunden später eine Totaleklipse (die es verdiente an anderer Stelle eingehend betrachtet zu werden). Über die tiefgreifende puritanische – also calvinistische – Prägung der USA sind ganze Bücher verfasst worden. Wir finden den Neptun des US-Horoskops gradgenau auf dem Saturn des OGs Calvins. Das Thema Saturn-Neptun ist, wie der verstorbene Astrologe André Barbault eingehend aufgezeigt hat, verbunden mit den Zyklen der kapitalistischen Wirtschaft, mit deren „ups&downs“, auch mit den Konkursen, die in der Folge erneutes Wachstum zeitigten – siehe z.B. die Krise infolge des Börsencrashes von 1929, welchem dank des New Deals F.D. Roosevelts ein erneutes Hoch folgte. 1776 war ein Jahr der Saturnregentschaft, der Tag des Wassermann-OGs war ein Saturn-Tag (Samstag). Und Saturn steht hier in Erhöhung auf dem AC, und dies als Herr über das vierte (und fünfte Haus) – auch in den Ganzzeichenhäusern. Man sieht einen starken Mond, einen Vollmond, Herr über das zehnte Haus. Noch vor der französischen Revolution nimmt der Gedanke der Volkssouveränität in den amerikanischen Kolonien, den späteren USA, konkrete Gestalt an. Und auch hier zeigt sich der Einfluss des calvinistischen Impulses. Der Calvinismus bewirkte, rascher noch als das Luthertum, die fortschreitende Entmachtung des Adels, verbunden mit der Aufwertung des Bürgertums, er bewirkte langfristig die Bildung von Republiken, zumindest aber die Relativierung royaler Macht.

Die USA sehen sich immer wieder dem Spagat zwischen Innovation und Tradition ausgesetzt, zwischen Konservativem hier und Progressivem dort. Vermutlich war diese Spannung seit dem Sezessionskrieg nie so stark gegeben wie in den gegenwärtigen Jahren, es reicht hier, auf den Ex-Präsidenten Trump und die von ihm forcierte Polarisierung des Landes zu verweisen. Nachstehend das Septar dieses OGs für das Jahrsiebt 1860-1867, somit den gesamten Sezessionskrieg miteinbeziehend.

Das Thema des Bürgerkrieges ist deutlich abgebildet: der Mond in scharfer Opposition auf Mars, dies auf der Polarität der Häuser zehn und vier, Krebs-Steinbock (Nation-Staat). Zur Konjunktion von Sonne und Pluto: Die staatliche Souveränität sieht sich in die Zange genommen, schwerster Prüfung ausgesetzt – es ging ums Ganze, um den Bestand des gesamtstaatlichen Daseins überhaupt. Der AC steht exakt auf dem Saturn des Calvin-OGs und auf dem Neptun des US-Basisbildes. Und in der Tat ging es bei diesem Bürgerkrieg wesentlich um den Dissenz Progressismus hier – Tradition dort. Die Nordstaaten betrieben energisch die Modernisierung und Industrialisierung, die Südstaaten, überwiegend agrarisch orientiert, hielten fest an den tradierten Hierarchien und damit auch an der Sklaverei. Beide hätten sich berufen können auf Calvin, denn schon bei diesem ist die Dichotomie von „alt“ und „neu“ angelegt, wie auch der Drang, beide Kräfte in Eines zu zwingen. Es zeigt sich hier ein weiteres Mal in beeindruckender Weise die Doppelregentschaft Saturns – Herr über den Steinbock, Herr über den Wassermann. (Und es erweist sich, nebenbei bemerkt, wieder einmal, wie stimmig die tradierte Dispositorenlehre ist.)

Das Wassermann-OGs von 1776 mit dem erhöhten Saturn am AC als Regenten über Haus vier: Immer wieder artikulieren sich quasi „alttestamentarische“ Themen (hierher gehört z.B. der Hinweis auf die Mormonen, die Tatsache, dass in den USA mehr Juden leben als in Israel, viele von diesen orthodoxer Glaubensrichtung). Die starke Stellung Saturns verdankt sich auch der Regentschaft über Pluto, über die Sonne-Ketu-Konjunktion sowie über Merkur, Mars und Venus. Grundsätzlich sieht sich das Land „im Recht“ (siehe auch die enorme Bedeutung des Justizsektors in den USA, das komplexe Justizwesen, nicht zuletzt auch die eminente Bedeutung des Supreme Court!), auch dann – oder gerade dann, wenn es in den Krieg gezwungen ist oder einen solchen bewusst herbeiführt. Oder anders: Das Land sieht sich nicht selten der Versuchung der Selbstgerechtigkeit ausgesetzt.

Im kommenden Jahr findet die nächste Präsidentschaftswahl statt, schon jetzt wirft diese ihre Schatten voraus. Nie waren Republikaner und Demokraten so weit auseinander. Nimmt man die Nation als Ganze, auch deren Stimmungslage in den Blick, dann empfiehlt sich der Miteinbezug der lunaren Jahresbilder (=die Tertiärprogressionen II als Jahreshoroskope). Man könnte sagen: Ein Solar ist von Yang-Natur, das lunare Jahresbild von Yin-Natur bestimmt. – Hier nun als Studienfall das lunare Jahresbild 2024 (wirksam von Februar ’24 bis Februar ’25):

Ein weiteres Mal: Saturn wie im Basishoroskop als Spannungsherrscher, hier im scharfen Quadrat zu Uranus, wohl als Hinweis auf den sich ausweitenden Dissenz im Lande zu werten.

5 Gedanken zu „Zweimal Wassermann-OG: Jean Calvin / USA

  1. Aeusserst interessante Darstellung. Wiederum als Ergänzung die vgeb. Parallele:
    30.6.1509 jul.= 10.7.1509 greg., also 1o Tage vor der Geburt, Zeit:13:50 GMT bez. auf Noyon. Sonne 22°22’43“ N, Mond 22°22’43“S.
    Der AC der Parallele liegt bei 4°39’Skorpion, das MC bei 15°46′ Löwe – direkt in
    Opposition zum Wassermann-OG 1509. Sonne,Merkur und Venus in F.9 (Krebs)gegenüberder Häufung in F.2 mit Jupiter,Pluto,MK und dem Mond in
    Schütze. Deutlich zu sehen hier der Zusammenhang zwischen Kapitalismus und
    Reformation, da der Mond – zudem im Quadrat zu Saturn F.11 – hier die Frage von Weltanschauung einerseits, Besitz andererseits aufrollt und mit der Dominanz über F.9 (Krebs) auf spezifisch amerikanische Themen hinweist.
    Pluto liegt bei Calvins Parallele exakt im Trigon zum MC in Löwe. Lilith liegt
    ebenfalls in Krebs, direkt bei der Sonne der Unabhängigkeitserklärung. Bei den
    Spiegelpunkten entdeckt man Saturn//Venus;beide Planeten zudem an der
    Felderspitze (11 und 9). Ausserdem Venus SP Mond und Merkur SP Pluto.
    Bei den Deklinationen wiederum:Sonne/Mond//Jupiter und Neptun/Merkur,
    Mars=Jupiter. Wegen ihrer Bedeutung für den Glauben besonders auffallend.
    Viele Grüsse
    Michael

  2. Inzeressantes Thema Klaus, es stellt sich halt die grundsätzliche Frage der Differenzierung zwischen Individuum und Geschehen. Wenn man das OG als vorhandenes Material betrachtet, das den Rahmen vorgibt, macht dies für das zeitliche Ereignis absolut Sinn. Persönlich finde ich es wesentlich schwieriger, ist es doch der Boden für viele Individuen, die da hinein fallen.
    Daher muß es die Kombination aus Radix und OG sein. Das Radix ist nur mit dem OG zu denken. Das OG wäre hingegen auch für die Historie bezeichnend ohne sich in einem individuellen Radix auszudifferenzieren.

    Verkürzt: ist Calvin zwangsläufig?

    Grüße Katharina

    1. Volles d’accord, Katharina. Aufs Individuelle bezogen muss die Relation OG – Geburtsbild bestimmend sein. Letzteres ist immer in sich vollständig. Oft genug aber habe ich keine Geburtszeit, da kann das OG so manches an Verlässlichem mitteilen, spezifisch was evtl. mundane Belange des Nativen angeht. Wobei hinzukommen kann das, was ich „Monatsbild“ genannt habe (siehe diesbezüglich evtl. frühere Beiträge hier im Blog)- verkürzt das „Kinheitsmuster“, mitsamt impuslv-emotionalen Reaktionsformen. Oft ist auch das Lunar des OGs, der Geburt vorausgehend erhellend. Ich denke, ich mache das mal zum Thema beizeiten.

      1. Ja, ich stimme zu, sich in unklaren Situationen im OG, Lunar Klarheit zu verschaffen. Auch lassen sich die Strömungen der Zeit erkennen.

        Die individuelle Ausformung ist immer eingebettet in diese Bedingungen.

        Müßte man mal systematischer untersuchen.

        Vielen Dank Klaus, wie immer sehr erhellend!

        LG Katharina

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