„Klassisch“ versus „modern“

Was ist „traditionelle Astrologie“? Die Antwort ist keineswegs eindeutig gegeben. Für manchen ist damit gemeint die hellenistische Astrologie. Doch wir wissen, heute mehr als vor wenigen Jahrzehnten noch, dass es eine differenzierte Astrologie vor der Zeit des Hellenismus gab. Dann gibt es die Astrologie in der Zeit zwischen Frühmittelalter und Renaissance (Abu Mashar, Ibn Esra et al.) . Und nicht jeder ist gewillt, die Renaissanceastrologie noch eindeutig der Klassik zuzuschreiben. Ist ein Morin, ein Lilly, wenn man so will Spätrenaissance-Astrologen, noch „traditionell“? Manches von dem, was für die hellenistische Astrologie bestimmend war, ist bei diesen beiden nur noch in Teilen zu finden. Morin und Lilly waren die letzten Großen der Astrologie. Danach setzte die Krise der Astrologie ein, die nahezu zu deren Verstummen führte. Hinzu kam die allgemeine Ächtung.

Mit dem ausgehenden 19. Jahrhundert fand die Astrologie erneute Zuwendung. Es entwickelte sich das, was man „moderne Astrologie“ zu nennen pflegt. Doch ist dieser Begriff kaum eindeutiger als der der „Klassik“. Zur modernen Astrologie wird gerechnet die Witte-Schule, später Hamburger Schule genannt, der Name Ebertin, die humanistisch geprägte Astrologie und andere. Ist die Münchner Rhythmenlehre (MRL) „modern“ ? Hätte deren Begründer, W. Döbereiner, diese Zuschreibung akzeptiert? Ich denke eher nicht. Aber definitiv ist die MRL alles andere als klassisch – sie hat sich gründlich der tradierten Würden entledigt. Kennzeichnend für die „Moderne“ ist auch die endlose Diskussion der Häuserfrage. Bei Ebertin sehen sich die Häuser gänzlich verabschiedet, die Hamburger haben ein gänzlich anderes System entwickelt.

Was unterscheidet die Tradition von der „Moderne“, wie diese auch immer näher zu bestimmen wäre? Für die Tradition gilt „Konkretion“, für die Moderne gilt „Abstraktion“. Beispiel: das dritte Haus: Nach der Tradition (primär) die Geschwister, in der modernen Sicht (in etwa) die Art und Weise der Kommunikation, der Interaktion mit dem Umraum. Oder das elfte: klassisch die Freunde, „modern“ die mentale, geistige Orientierung, auch in etwa das kollektive Ethos. Was nun einen entscheidenden Unterschied machen kann. Vor mir liegt ein Horoskop mit einer Mond-Saturn-Konjunktion im Skorpion im elften Haus. Hat die Native es zu tun mit einem Freund, einer Freundin oder mit mehreren, die durch diese eher schwierige Konjunktion weitgehend bestimmt sind? Oder ist die Beziehung der Nativen zu Freunden von dieser Qualität bestimmt? Das macht einen erheblichen Unterschied. Die erstere Sicht ist die klassische, konkretisierende, die zweite die moderne, die man auch die „psychologisierende“ nennen könnte. Oder dieses Beispiel: Jemand hat eine Mars-Uranus-Konjunktion im dritten Haus. Ist seine Interaktion mit dem Umfeld generell eine ins Scharf-Aggressive gehende? Oder hat er es schlicht zu tun mit einem Bruder, einer Schwester, evtl. einem Nachbarn, der charakterlich in der genannten Weise geprägt ist? Um beim Letzteren zu bleiben: Der Fall könnte gegeben sein, dass der Nachbar dauernd Krach macht, laute Musik, Partys in die Nacht hinein. Was aber nach klassischer Sicht nicht zwingend bedeuten muss, dass es hier zu scharfen Auseindersetzungen zwischen den beiden Parteien kommen muss.

In der traditionellen Astrologie fällt der Blick zunächst nicht auf die Sonne, sondern auf den AC. Das ist der Native selbst mit „vita, corpus und ingenium“ – also das Leben, die Physis, der Verstand und die Talente. Die Häuser, die dem folgen, sind nicht der Native oder seine subjektive „Ausweitung“, sondern sie stellen dar die „objektiven“, für sich autonomen Lebensbereiche. Vielleicht ist dies der Hauptunterschied. Die moderne Astrologie weitet das Ich aus auf den gesamten Häuserkreis, typisch neuzeitlich, eben weil in der Neuzeit das Individuum in den Mittelpunkt rückt. Die indisch-vedische Astrologie ist der Tradition treu geblieben, auch hier steht der AC (indisch „Lagna“) an erster Stelle. Danach fällt der Blick auf den Mond, dann erst auf die Sonne. – Es soll hier nicht gehen um die Frage, was die richtigere Sichtweise ist. Doch ist es m.E. schon wichtig, sich die gravierenden Unterschiede – traditionell hier, modern dort – vor Augen zu halten. Die Astrologie, die wir praktizieren, ist ja auch Ausdruck, stärker als manchem bewusst sein mag, unseres Verständnisses von Ich und Welt.

Noch eines, was einen gravierenden Unterschied bedeutet. Die Parallelisierung der Tierkreiszeichen und der Häuser ist der Tradition weitgehend fremd. Meines Wissens findet sich dies auch nicht bei Morin, vermutlich erst mit der Neugeburt der Astrologie im 19. Jahrhundert. Dabei ist die Gleichsetztung erstes Haus= Widder fragwürdig. Bei einigen Häusern scheint die Gleichsetzung plausibel, bei anderen ganz und gar nicht. Eine logische Begründung für die Parallele Widder=erstes Haus scheint mir nicht gegeben, sie ist mir auch nie in der Literatur begegnet. Oder das fünfte Haus, dessen Gleichsetzung mit dem Löwen. Der Löwe ist ein unfruchtbares Zeichen, hat mit dem Thema „Kinder“ wenig zu tun. Oder das sechste Haus: dessen Gleichsetzung mit der Jungfrau ist fragwürdig. Das sechste Haus ist verbunden mit Krankheit, Einschränkung der Lebensbedingungen. Während die Jungfrau keineswegs mit dem Thema der Krankheit verbunden ist, sondern, ein wichtiger Unterschied, mit u.a. der Erhaltung der Gesundheit, z.B. mit der Nahrung. Gänzlich fragwürdig aber ist die Gleichsetzung Haus zwölf – Fische. Was haben die Fische mit dem zwölften Haus gemein? Das zwölfte Haus ist das Gefängnis, die Not, die existenzielle Beschränkung. Zum Thema Fische aber gehört die Transzendierung dieser Beschränkungen, die ozeanische Weite, der Fernhandel etc. Hätte es mit diesen Korrelationen seine Richtigkeit, dann hätten die „Alten“ dies bei der Verteilung der Würden berücksichtigt, also z.B. einen Merkur im dritten Haus, eine Sonne im fünften, gestärkt gesehen – was eben nicht der Fall war.

Ich denke, es lohnt schon, einen näheren Blick auf die Differenzen von traditioneller und „moderner“ Astrologie zu werfen.

Deutschland, mal zentripetral, mal zentrifugal

Das Nachfolgende führt in Teilen die Themen des letzten Beitrages fort, es ging dort um die drohende Spaltung des Landes. Dazu ein Blick auf das Horoskop Deutschlands 1495, hier bereits an anderer Stelle im Focus gehabt. Kurz: Es ist das Wassermann-Oktilogramm 1495, Worms. In Worms wurde auf dem Reichstag jenes Jahres eine allgemeine Rechtsordnung beschlossen. U.a. wurde das Reichskammergericht ins Leben gerufen. Man kann hier mit Fug und Recht von der ersten grundlegenden Verfassung Deutschlands sprechen, auch von dem hier einsetzenden Prozess der Staatlichkeit. Das Horoskop:

Im Bild ein Neumond im vierten Haus im Wassermann. Auch der Geburtsherr, die Venus, findet sich dort. Und die Venus kommt zudem aus dem achten Haus. Dies verdient gegenwärtig besonderes Interesse, da Pluto die Venus bereits in diesem Jahr überlaufen hat und dies gegen Mitte Dezember ein weiteres Mal tun wird. Pluto opponierte die Venus letztmalig 1938/39, am Vorabend des II. WK. Im Bild ist eingetragen der Alterspunkt (AP / Huberschule) für den gegenwärtigen Zeitpunkt, Oktober 2024. Und zwar wurde der potenzierte 6er-Rhythmus genommen, also der 36er Rhythmus, wie er gerade bei mundanen Horoskopen von großer zeitlicher Reichweite nutzbringend verwendet werden kann. Der AP steht nach diesem Rhythmus derzeit auf knapp 21 Grad Steinbock. Der gewohnte Rhythmus der Huber-Schule folgt der Sequenz der Tierkreiszeichen, verläuft gegen den Uhrzeigersinn. Der gegenläufige Rhythmus, der im Uhrzeigersinn, ist rechtslaufend. Schon immer wurde die Bewegung nach rechts als die „weibliche“ gesehen, die gegenläufige als die „männliche“. Wir gewinnen hier vielleicht mehr an Anschauung, sehen wir hier die Polarität von Yin und Yang gegeben. Aus astrologischer Sicht wird man die linkslaufende Bewegung als eine solare, die rechtslaufende als eine lunare sehen können. (Ein Beispiel aus der Meteorologie: ein „lunares“ Tief ist gegeben bei rechtslaufenden Luftmassen, ein „solares“ Hoch bei linkslaufenden.) – Es folgt ein Beispiel für eine rhythmische Auslösung rechtslaufend, gewählt wird der potenzierte 6er-Rhythmus, also der „36er“.

Ein kompletter Umlauf nach dem 6er-Rhythmus ist nach 72 Jahren, abgeschlossen, es setzt dann der zweite Umlauf ein. Ein kompletter Umlauf nach dem 36er-Rhythmus ist nach 12*36=432 Jahren abgeschlossen (432 – in der tradierten indischen Zeitrechnung eine Schlüsselzahl !). Dies bedeutete, dass der zweite Lauf 1927 einsetzte. Der AP, in der Graphik markiert, steht hier auf dem fulminanten 17. Grad Jungfrau (der „Vulkanausbruch“). Immer wieder ist zu beobachten, dass die Aktvierung dieses Grades elementare Eruptionen auslösen kann. Dieser Grad ist hier 1977 erreicht – das Jahr des sog. „deutschen Herbstes“, der Höhepunkt des RAF-Terrors. Siehe auch die mitausgelösten Verbindungen, in der Graphik markiert. Die Ereignisse jenes Jahres waren gewiss nicht fundamental staatsgefährdend, hier wurde zeitweise klar übertrieben. Doch die damaligen Ereignisse (Stichwörter „Stammheim“, „Landshut/Mogadishu“) gingen in der Bevölkerung einher einher mit langwirkenden Ängsten. Wir haben hier ein einprägsames Beispiel für eine lunar wirksame rhythmische Auslösung vor uns. Ein Blick auf Gegenwärtiges: Als Putin über die Ukraine herfiel, stand der AP im 36er-Schlüssel, rechtslaufend, im gradgenauen Quadrat zu Pluto, der in Konjunktion mit Mars steht. Seitdem ist Deutschland miteinbezogen in das nach wie vor währende unheilvolle Geschehen. Derzeit steht der AP im Quadrat zu Mars. Auch hier wirkt das Lunare stärker. Das Land steht nicht im Krieg – noch nicht, sagt mancher – ist bereits Kombattant auf Seiten der Ukraine, sagt Putin. (Nun, man kennt die Rachsucht der Diktatoren zur Genüge.) Und wieder wirken sich lunar bestimmte Wahrnehmungen und Befürchtungen aus. Diese Wahrnehmungen aber zeitigen sehr reale Veränderungen, die dabei sind, die politische Landschaft grundlegend zu verändern – siehe auf Aufkommen der AfD, des BSW, die Erosion der einst für so sicher gehaltenen bundesdeutschen Parteienlandschaft: hier CDU/CSU, dort SPD, dann nachgeordnet die FDP. 2018 wurde nach diesem Rhythmus die Mitte des Löwen erreicht – 15:00 Grad, in den fixen Zeichen meist verbunden mit einem Wendepunkt, einer Neuorientierung. Und 2018 war das Jahr, in dem der Aufstieg der AfD offenkundige Realität zu werden drohte.

Die Venus im Wassermann am IC – u.a. das Gemeinwesen, verbunden mit dem Thema des Uniform-Sozialen, wie dies in der applikativen Konjunktion mit Uranus zu Ausdruck gelangt. Die Halbsumme der beiden Planeten findet sich auf dem vierten Grad Wassermann – und dorthin wird Pluto 2025/26 gelangen. VE/UR=PL. Ein komplexes Bild. Doch scheint es so, als drohe hier die Massierung der Uniformität. Was seinen Ausdruck finden kann im Politischen wie wie auch generell im kollektiven Dasein, in den Lebensformen der Bevölkerung. Doch der anstehende Transit Plutos über die Venus am IC kann sehr wohl Druck ausüben auf die Befindlichkeit des Nationalen, spezifisch des innerdeutschen West-Ost-Verhältnisses. Siehe dazu den vorhergehenden Beitrag. – Hier liegt im Radixhoroskop dauerhaft vor die ganz exakte Konstellation MA/PL=SO/MO.UR. Diese Konstellation wurde ausgelöst im März 1938 (der „Anschluss“ Österreichs), als Uranus im Transit zur Mars-Pluto-Konjunktion stand.

Die genannte Konstellation steht natürlich im engen Zusammenhang mit den schweren Verwerfungen in der Geschichte des Landes. Es ist aufschlussreich, spezifisch dem Wirken der genannten Konstellation in der Geschichte des Landes nachzugehen. Im solaren 36er-Rhythmus wird Pluto exakt im Herbst 1517 überlaufen – die Reformation, setzt ein. Der Dreißigjährige Krieg mit seinen Verwüstungen beginnt, als der AP die Sonne auf dem „Wendepunkt“ 15:00 Wassermann erreicht hat. Es ließen sich weitere Beispiele anführen. Das Horoskop bildet unstreitig wesentliche Entwicklungen der deutschen Geschichte ab.

Noch einmal zum „lunaren“ 36er-Rhythmus. Da ist der AP derzeitig, Oktober 2024, auf 10.30 Grad Löwe. Damit aber ist die direkte Halbsumme AP=SA/NE=SO/UR ausgelöst – ein deutlicher Hinweis auf drohende Konkurse, auf eine tiefgreifende Krise, die ihrerseits die mundanen Autoritäten (SO) aus dem Gleichgewicht bringen könnte (UR). Der AP steht dicht vor dem Fälligwerden des exakten Quadrates auf Mars. (Grundsätzlich gilt beim „36er“, dass man einen zeitlichen Orbis von bis zu einem Jahr annehmen kann – abhängig auch von der Größe des jeweiligen Hauses.) Es steht dies in Verbindung zum eingangs genannten Transit Plutos über den Geburtsherrscher, nachfolgend über die Halbsumme VE/UR. Und dies lässt vermuten, dass das Land ein weiteres Mal eine äußerst kritische Zäsur vor sich hat, ein Schnitt wie er sich meist nur in Intervallen von Jahrzehnten einzustellen pflegt. Was der Historiker Ranke von einer jeden Epoche sagte, sie sei „unmittelbar zu Gott“, dies gilt auch für jedes einzelne Jahr. Dennoch gibt es Jahre, in denen die Geschichte einen unvermuteten Verlauf nimmt, dem gänzlich Unerwarteten eine plötzliche Bresche schlägt – wechselweise zum Guten, zum Bösen hin. Ein solches Jahr könnte das kommende sein, 2025, vielleicht auch das Jahr 2026.

Ein Blick auf das kommende Jahr. Das untenstehende Horoskop ist das lunare Jahresbild des Horoskops von 1495 für 2025 (lunares Jahresbild = die Tertiärprogressionen II als Ganzjahresbild – das lunare Pendant zum Solar). Der Mond („Volk“) als Geburtsherr im achten Haus. Mars im Skorpion im T-Quadrat zur Mond-Saturn-Opposition. Hinzu kommt die Sonne applikativ zu Mars und im Quadrat zu Pluto und dessen Konjunktion mit Ketu (absteigender Mondknoten). Dazu Neptun auf dem ersten Grad Widder (Verbindung zur „Allgemeinheit“) im Quadrat zum AC. Eine gefährlich Situation, und es ist durchaus denkbar, dass sich das Land im kommenden Jahr hineingezogen sehen wird in den Strudel militärischer Eskalationen. Hier jedenfalls geht es an die Substanz von Volk und Staat.

Das Horoskop von 1495 zeigt deutlich auf einige der Kernthemen des Landes: die Gefahr des inneren Bruches, der überhandnehmenden zentripetalen Kräfte (siehe die Kleinstaaterei in der Zeit bis 1803/06), die immer wiederkehrende Gewalt, mal vom Land ausgehend, mal dieses von außen her heimsuchend.