Saturn, Herr des Steinbocks, Herr des Wassermanns

In womöglich keinem anderen Land hat man die tradierte Herrscherlehre, mithin die tradierte Siebenerordnung, im 20. Jahrhundert so gründlich entsorgt wie in Deutschland. Anders verhält es sich im angloamerkanischen Raum, wo gar zu beobachten ist, dass mancher Astrologe erkennt, dass die Außerachtlassung der klassischen Würden der Astrologie Schaden zugefügt hat. Es soll hier nur um Saturn als Herr über den Wassermann gehen (wobei die Mitregentschaft des Uranus nicht bestritten werden soll !). Gerade hier im Falle des Wassermanns scheint das Verständnis schwierig – doch gerade hier erweist sich wie stimmig diese Zuordnung ist.

Das Bild ist bekannt, es steht hier, um noch einmal die harmonische Geschlossenheit der tradierten planetaren Ordnung in Erinnerung zu bringen und zu veranschaulichen. Es zeigt vor allem auch die Verbindung der Lichter mit dem „doppelten“ Saturn. Der Astrologe Franz Frickler ergänzte die internen Relationen in diesem Gefüge, indem er die Lichter einander annäherte: Die Sonne hat ihrer primäres Domizil im Löwen, ihr sekundäres im Krebs, der Mond sein primäres Domizil im Krebs, das sekundäre im Löwen. Da wird man ihm nicht so leicht folgen wollen. Immerhin sind seine Begründungen, hier nicht näher auszuführen, nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen, näherer Überlegung wert.

Ein Blick auf Regionen, Epochen, die eine deutliche Wassermannprägung haben: Z.B die Niederlande – die Prägung ist unschwer aufzuzeigen. Dort entstand gut zwei Jahrhunderte vor der Fr.Revolution eine bürgerliche Gesellschaft, der Adel in den Niederlanden war früh entmachtet. Wer das Land näher kennt, der ist vertraut mit der „Gruppenkultur“, die sich schon in der niederländischen Kunst des 17. Jahrhunderts findet (das berühmteste Beispiel ist wohl die „Nachtwache“). Nun ist das Land über Jahrhunderte calvinistisch geprägt gewesen, wenngleich in den gegenwärtig zunehmend säkularisierten Zeiten in weniger starkem Maße. Noch heute irritiert den Nicht-Niederländer das auffällige Miteinander von progressiver Modernität und traditioneller Prägung. Und gerade in dieser für den Außenstehenden nicht leicht zu begreifenden paradoxen Verbindung dokumentiert sich die Regentschaft des Saturn über den Wassermann. Die mit dem Calvinismus generell verbundenen Qualitäten – strenge Moral, Pflichtbewusstsein, Arbeitsethos … – sind in der Geschichte der Niederlande unschwer nachzuweisen, bis in die Gegenwart hinein. – Auch für die Geschichte Preußens waren die genannten Eigenschaften immer wieder bestimmend – siehe u.a. die Regentschaft des Wassermanns Friedrich II. Dort aber setzte sich die Doppelregentschaft des Saturn durch: Mal setzte sich in Preußen der Wassermann-Saturn durch, mal gewann der Steinbock-Saturn die Oberhand. Hier kommt einem dieser römische Gott in den Sinn:

Janus hat dem Januar seinen Namen gegeben. Er ist auch der Gott des Tore, der Türen, die in beiden Richtungen durchschritten werden können („This door swings both ways.“).

Vermutlich ist nie eine Kultur stärker vom Wassermann gepägt gewesen als die griechische. Natürlich fällt einem zunächst die Entstehung der Demokratie ein (wobei oft übersehen wird, dass es dazu nur im attischen Raum kam, keineswegs im gesamten Griechenland). Dann das (allerdings oft wenig friedliche) Miteinander der vielen mehr oder weniger souveränen Stadtstaaten („Polis“). Doch wichtiger wohl noch: In der griechischen Kultur gewinnt der Mensch erstmals eine individuelle Gestalt – dies jetzt auch wörtlich gesehen – siehe die griechische Plastik. Dort tritt der Dargestellte aus der archaischen Starre des Steinbocks ins offene Dasein. Der Wassermann aber ist das Zeichen des Menschen, genauer: des idealen, des vollkommenen Menschen. Hierher gehört natürlich auch das Wort vom „homen mensura“, der Satz vom Menschen als Maß aller Dinge. Steht man vor einem griechischen Tempel, z.B. in Paestum, dann sieht man sich nicht einem überwertig Monumentalen gegenüber, sondern einem Bauwerk, in dem der Mensch das eigene Maß wiederfinden mag. „Anthropos“ = der Mensch, dieser ist der „Aufrechte“, allein dies verweist auf den Saturn als Herrn über den Wassermann.

Stier, Löwe, Adler/Skorpion, Mensch – diese vier, Ausdruck der vier fixen Zeichen des Tierkreises, sind erstmals erwähnt im AT-Buch Ezechiel. Das Bild wird später aufgegriffen in der Geheimen Offenbarung des Neuen Testamentes: „Das erste Lebewesen glich einem Löwen, das zweite einem Stier, das dritte sah aus wie ein Mensch, das vierte glich einem fliegenden Adler.“ Der vollkommene Mensch ist derjenige, welcher der Gestalt eines Engels zustrebt. Vor diesem Hintergrund verdient besondere Beachtung, wie häufig anthropologische Themen in das Denken und in die Formen von Wassermanngeprägten eingeht. Zu nennen wäre etwa Arnold Gehlen, Sonne Konjunktion Saturn im Wassermann (Hauptwerk „Der Mensch“), der den Menschen als „Mängelwesen“ sieht. Der Mensch ist hier nur in unzureichender Weise ausgestattet für ein Dasein inmitten der Naturgewalten. Aber gerade aus diesem Defizit heraus ist er willens und fähig zur Ausbildung von Kultur und „Fortschritt“. Oder Max Scheler, auch er zu den anthropologischen Philosophen zu rechnen, auch er mit dem Saturn im Wassermann. Scheler: „Wir sind in der ungefähr zehntausendjährigen Geschichte das erste Zeitalter, in dem sich der Mensch völlig und restlos problematisch geworden ist: in dem er nicht mehr weiß, was er ist; zugleich aber auch weiß, dass er es nicht weiß.“ Hier das Löwe-Oktilogramm, welches der Geburt Max Schelers (22.08.1874) vorausging. Mit der scharfen achsengebundenen Opposion von Saturn (Spannungsherrscher!) und Uranus erscheint es wie eine Bestätigung des eben Zitierten:

Oder Georges Simenon, Autor von rund 200 Romanen, auch er im Wassermann geboren. Er sagte sinngemäß, der Mensch sei in so unzureichender Weise für sein Dasein ausgestattet, dass es immer wieder verwundere, wie er dessen Herausforderungen meist doch bestehen könne. Ein weiterer Autor, Georg Trakl, die Sonne im Wassermann, der wohl bdeutendste Dichter des Expressionismus: „…Des Menschen goldenes Bildnis verschlänge die eisige Woge der Ewigkeit…“ („Klage“). Der Dichter leidet an der Diskrepanz zwischen dem Idealbild und der Verfallenheit, auch Schuldhaftigkeit des Menschen, der seinem göttlichen Urbild nicht mehr entsprechen kann. Siehe auch Trakls „Kaspar Hauser Lied“: „… Gott sprach eine sanfte Flamme zu seinem Herzen: O Mensch!…“

Zurück zu den Griechen und ihrer Wassermann-Kultur. Sie haben das Theater ins Leben gerufen, sie haben sowohl die Komödie wie auch die Tragödie geschaffen. Zwei Antipoden, von denen man meinen könnte, dass sie einander so fremd sind, dass es zu keiner Begegnung der beiden kommen könnte. Das Gegenteil hat dann in der Tat erst Shakespeare auf die Bühne gebracht. Selbst eine schwarze Tragödie wie der MacBeth weist komische Momente auf. Nietzsches „Geburt der Tragödie“ hat hier den Kern getroffen (der von den Enthusiasten der deutschen Klassik zuvor meist verfehlt worden war): Nietzsche lobt den Griechen, „der mit schneidigem Blicke mitten in das furchtbare Vernichtungstreiben der sogenannten Weltgeschichte, ebenso wie in die Grausamkeit der Natur geschaut hat.“ Wer niemals von Krankheit oder Leid betroffen wurde, habe es nicht nötig Schönes hervorzubringen. Und zum Ende der „Geburt der Tragödie heißt es: „Wie viel musste dies Volk leiden, um so schön werden zu können!“

Ich hoffe, diese Ausführungen, vor allem diejenigen die Griechen betreffend, können hinreichend die Doppelherrschaft des Saturn belegen.

2 Gedanken zu „Saturn, Herr des Steinbocks, Herr des Wassermanns

    1. Dank Dir,
      ja ich glaube, jeder so um die 18-20 hat seine Trakl-Periode. Um dann lange Jahre später ein weiteres Mal auf ihn zurückzukommen, jedenfalls war’s bei mir so. Man lernt vieles über den Wassermann bei ihm. Literarisches Musterbesispiel für das parataktische Prinzip.

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